Liza Lim: The Tailor of Time (2023)
Liza Lim, geboren 1966 im australischen Perth, ist eine Komponistin, Pädagogin und Forscherin, deren Musik sich auf kollaborative und transkulturelle Praktiken konzentriert. Die Wurzeln der Schönheit (im Geräusch), Zeiteffekte im Anthropozän und die Sensorik ökologischer Zusammenhänge sind ständige Themen ihrer kompositorischen Arbeit.
Über ihr Stück The Tailor of Time schreibt die Komponistin im Partiturvorwort:
„Der Titel des Werks stammt aus einigen Zeilen der Masnawīyi Ma'nawī des persischen Sufi-Mystikers Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī – kurz Rumi genannt – aus dem 13. Jahrhundert:
Ich habe Tauben gekannt, die im Nirgendwo fliegen,
und Vögel, die keine Körner fressen,
und Schneider, die schöne Kleider nähen,
indem sie sie in Stücke reißen. (...)
Der Schneider der Zeit hat noch nie ein Hemd für einen Menschen genäht, ohne es zu zerreißen.
Rumis Poesie ist durchdrungen von paradoxen Bildern des Machens und Nicht-Machens, der Abwesenheit und der Präsenz. Die Art und Weise, wie er Ideen miteinander verwebt, ist ganz im Sinne des Sufi-Ethos: Er lehrt durch Geschichten und Bilder von bescheidenem Handwerk und alltäglichen Dingen, um auf subtile Botschaften der spirituellen Alchemie und Transformation hinzuweisen. Seine Poesie kreist oft um Bilder von Sehnsucht und erotischem Verlangen, Verwirrung und Vernichtung angesichts der göttlichen Liebe. Das poetische Repertoire der Sufis liefert einen Hinweis auf die beiden Soloparts des Werks: Oboe und Harfe. Immer wieder finden wir in Rumis Werk Hinweise auf das Weinen der Rohrflöte als Bild für die Art und Weise, wie der göttliche Atem durch uns in die Welt kommt, und auf die gezupften Saiten der Laute als Symbol für die spirituelle Sehnsucht der Herzenssaiten des Liebenden.“
The Tailor of Time ist Joséphine Markovits gewidmet.
Lim ist Professorin für Komposition und Inhaberin des ersten Sculthorpe-Lehrstuhls für australische Musik am Sydney Conservatorium of Music, wo sie das Programm Composing Women leitet. Zu den Auszeichnungen für ihre Arbeit gehören der Don Banks Music Award (2018), eine Residency Peggy Glanville-Hicks Composers’ House (1995), der Paul Lowin Orchestral Prize (2004), ein Auftrag der Fromm Music Foundation Award (2004) und ein Stipendium für das Berliner Künstlerprogramm des DAAD (2007/08). Sie wurde mit dem Happy New Ears Preis 2021 der Hans und Gertrud Zender Stiftung ausgezeichnet und war 2021/22 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.